Kemme – „Wir sind hier heute für einen wunderbaren Feier- und Festtag zusammengekommen“, begrüßte Pastor Julian Knötig freudig die Besucher:innen des Festgottesdienstes am Reformationstag in der St. Georg-Kirche Kemme. Dabei gab es an diesem Tag gleich mehrfach Grund zum Feiern: Neben der Erinnerung an Martin Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg vor 508 Jahren stand der Gottesdienst ganz im Zeichen der ersten urkundlichen Erwähnung der Ortschaft Kemme vor 1000 Jahren. Auf drei langjährige Ehrenamtliche wartete außerdem noch eine besondere Überraschung.
Vertreter:innen der örtlichen Vereine und der Freiwilligen Feuerwehr waren in Uniform und mit ihren Fahnen in die Kirche eingezogen und hörten zu, als Superintendentin Franziska Albrecht in ihrer Predigt über die Bedeutung der Freiheit im Evangelium und die christlich-theologischen Prinzipien der Reformation sprach.
Freiheit im Evangelium sei kein „Ich suche mir meinen Vorteil“, sondern bedeute: „Ich bin gehalten – und darum kann ich für dich da sein“, so Albrecht. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Leistungsdruck geprägt sei, mache die Botschaft des Evangeliums frei vom Zwang, perfekt zu sein, der Angst, zu kurz zu kommen, dem inneren Richter, der nie zufrieden ist und gleichzeitig frei für die Liebe, den Dienst am Nächsten und für das Hinschauen auf diejenigen, die Hilfe brauchen.
Bildlich formulierte Superintendentin Albrecht: „Freiheit ist nicht ,mein Zaun gegen deinen‘, sondern ein gemeinsamer Raum, in dem wir atmen, reden, streiten und versöhnen können – als Nachbarinnen und Nachbarn, als Generationen, als Gemeinde.“
Die zentrale Botschaft der Reformation sei, dass nicht Leistung den Menschen vor Gott gerecht mache, sondern die Gnade Gottes (Sola Gratia). „Wir müssen uns nicht beweisen, dass wir genügen. Gott schaut uns liebevoll und barmherzig an“, erklärte Albrecht.
Menschen bräuchten Auszeiten, um durchzuatmen und um aus dem sogenannten Hamsterrad ausbrechen zu können. Dies gelte um so mehr, da das Leben heute einen anderen, schnelleren, oft ungesunden Rhythmus habe als in früheren Zeiten.
Der Reformationstag sei deswegen auch ein Tag, für alle Menschen, die Sorgen haben. Denn für sie stehe die Botschaft: „Du bist nicht allein, du darfst dich halten lassen“. Außerdem sei der Tag eine Dauereinladung dafür, Kirche zu gestalten kontinuierlich zu erneuern. „Und das im Vertrauen darauf, dass Gott mitgeht, so Albrecht.
Im Anschluss an ihre Predigt zeichnete die Superintendentin die Ehrenamtlichen Bernd Aselmann aus Rautenberg sowie Axel Witte und August-Ludolf Ohlms aus Schellerten für ihr langjähriges Engagement für das kirchliche Leben mit dem Silbernen Facettenkreuz, der höchsten Ehrung der Landeskirche aus.
Als Erinnerung an den besonderen Tag zogen die Teilnehmenden nach dem Gottesdienst zum Landschaftsgarten, um dort gemeinsam eine Eiche zu pflanzen. Bürgermeister Friedhelm Hallmann erklärte, er wünsche sich, dass die Dorfgemeinschaft auch in Zukunft so gut zusammenhalte. Beim anschließenden Frühschoppen im Gemeindehaus klang der Festtag aus.
Von Thomas Schlenz